April 22, 2013

Der Tag Danach

Am Freitag Abend schaute wohl kein Bostonian (und alles aus den Suburbs) etwas anderes als die Life-Schaltung von der Einkesselung des zweiten Bombenlegers (der erste starb an Herzinfarkt, nachdem an die 200 Schüsse auf die Zwei angefeuert wurden). Wie im Film dachte ich oft und werde wohl nie wieder sämtliche Action Filme sanft belächeln, denn es ist einfach irre wie das alles ablief. Das einfach mal so eine Großstadt plus Nebenstadtgebiet still gelegt werden (es gibt viele Fotos von der Ghost-Town), dass die Bombenleger erwischt wurden weil sie gerade an einer Tankstelle standen, welche in genau diesem Moment überfallen wurde, dass mit Black Hawks und deren Thermo-Cameras herausgefunden wurde, dass der sich in einem Boot Versteckte immer noch lebt (trotz diverser Schusswunden) und das es einem FBI Verhandlungsagenten letztendlich gelungen ist ihn zur Aufgabe zu ueberzeugen. Nachdem er erst einmal medizinisch notdürftig behandelt wurde und dann in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht, zogen so nach und nach sämtliche Polizeiautos wieder ab und wurden von an der Strasse stehenden, klatschenden und jubelnden Menschen begleitet. Es war eine unglaubliche Erleichterung bei allen zu spüren, ein wenig Leichtigkeit des Seins kam wieder auf. Gänsehaut Feeling pur und eine absolute Hochachtung wie schnell und sauber alles ablief. Innerhalb von vier Tagen war der Anschlag aufgeklärt. Wann er zu Ende gebracht sein wird, weiss man nicht, denn noch arbeiten die Leute vom FBI vor Ort und suchen nach Beweisen und, der wichtigste Zeuge (der zweite Bombenleger) liegt schwerverletzt im Krankenhaus und ist wohl noch nicht wirklich verhoerungsfaehig.

Samstag liess ich es mir nicht nehmen und bin mit meiner Mimi und ihrem Freund nach Boston reingefahren, um Blumen niederzulegen. Auf dem Highway Richtung Boston und kurz vor unserer Abfahrt, jedoch noch in voll Speed (na gut, knapp 70mph sind nicht wirklich schnell), crashen auf einmal zwei Auto in front if me together, eine riesengrosse Qualmwolke und ein kleiner Mini, der sich wie ein Kreisel drehte bis er waagerecht zur Fahrbahn auf der rechten Spur zum stehen kam. Alles ging sehr schnell, doch kein Auto hielt an und so fuhr ich rechts ran, liess Mimi 911 anrufen und ging zu der jungen Frau ans Auto. Sie stand total unter Schock, zitterte am ganzen Körper, ihr Nacken schien weh zu tun und wusste gar nicht wie das alles passieren konnte. In der einen Sekunde fuhr sie und in der anderen drehte sie sich wie ein Kreisel. Hammer war der andere Typ, an seinem Auto so gut wie kein Kratzer und dann wollte er ihr noch die Schuld in die Schuhe schieben. Das brachte die junge Frau noch mehr durcheinander und ich hatte zu tun sie zu beruhigen. Zum Glück waren innerhalb weniger Minuten State Troopers und zwei Feuerwehren da. Der State Tropen fragte uns, ob bei uns alles okay ist, ich sagte ja und dann durften wir zum Glück weiterfahren (er hielt dafür sogar den Verkehr auf dem Highway an).

Ziemlich durch den Wind sind wir nach Boston rein und suchten ewig lange nach einem Parkplatz, denn die typischen Parkhäuser, die ich normalerweise ansteure, waren nicht anfahrbar, da ja immer noch die Boylston Street (die Strasse auf der die Bomben explodierten) gesperrt war. Doch egal, das Wetter war schön, als ob der Himmel den Bostonians zeigen wollte "ich steh hinter euch" schliesslich war Regen für den ganzen Tag angesagt. Ich habe noch nie so viele Menschen in Boston unterwegs gesehen, wie am Samstag. Menschen die ihr Beileid mitteilen wollten, ihre Ehre den unzähligen Helfern, der Polizei, dem FBI und so vielen mehr bekunden.


Das FBI und die Spurensicherung arbeitete weiterhin auf Hochtouren und checkte jeden Zentimeter von der Strasse, jede noch so kleine Ecke oder auch Fenstersimse und Vordächer.


Boston ist schön, sehr schön sogar. Eine Stadt, die ich unglaublich ins Herz geschlossen habe, eine Stadt mit so viel Leben und einfach nur wunderbaren, positiv und starken Menschen. Es wurde gelächelt, gelacht, gekeckert, gespielt, gesungen, gestritten, musiziert, gegessen, getrunken, gekauft, gerannt, spaziert und vieles, vieles mehr.





Wir sind durch den Public Garden Richtung Common gelaufen und lauschten dabei erst einem Saxophonist und dann einer Geigenspielerin die Irisch Folk Songs spielte.


Am 20. April wird hier traditionell Hanf oder Pot oder Marihuana (wie auch immer es genannt wird) gefeiert und so sassen auf dem Hügel hunderte Jugendliche und möchte gern Jugendliche und kifften sich einen an, während die Polizei daneben stand und darauf aufpasste, dass keiner mit Joint die Begrenzung übertrat.


An ganz vielen Ecken konnte man mit Kreide malen und Sprueche aufschreiben für die Opfer und vielen Verletzten des Anschlags.




Egal wie schön der Tag auch schien, dennoch kämpfte ich sehr oft mit den Tränen, vor allem wenn man die vielen Blumen, Bilder usw. sah. Ich fühlte mich beklemmt und benommen, dennoch aufgehoben bei all der Zuwendung die man zwischen den Menschen spürte.




Auf dem Heimweg und wieder auf dem Highway standen aller viertel Mile Polizeiwägen und/oder Feuerwehrfahrzeuge. Das machte mich etwas ganz schön nervös so dass ich die weltbeste Nachbarin anrief und fragte, ob sie denn etwas weiss. Gemeinsam sind wir dann dahinter gekommen, dass es wohl um die letzte Fahrt des erschossenen Police Officers vom MIT handeln wird, denn er kam schliesslich aus unserer kleinen Stadt. Auch in Wilmington waren Polizeiautos aus unterschiedlichsten Gegenden wie z.B. Somerville, Cambridge, Revere, Arlington, Reading usw. zu sehen und die Main Street gesperrt.


Da der Prinz Polizei und Feuerwehr über alles liebt, bin ich mit ihm abends noch zum Common gefahren, um dem Gedenken an den Police Officer beizuwohnen. Es war wieder unglaublich bewegend und ich kämpfte wieder mit den Tränen. Hunderte von Leuten standen zum Teil mit Kerzen und gaben ihr letztes Geleit und unzählbar viele Polizisten aus den unterschiedlichsten Orten gaben ihrem Kollegen den letzten Gruss.




Wieder zu Hause musste ich mich emotional erst einmal wieder einkriegen, heulte etwas rum, lauschte dem knistern des lodernden Kamins, trank etwas Champagne mit meinem Mann und fand für mich dadurch einen Abschluss zu dem ganzen Geschehen. Boston ist schön, wunderschön, doch der Drang wieder zurück zu gehen wird immer Größer. Liegt bestimmt daran, dass ich Deutschland als nicht so gefährlich einschätze wie die Staaten, dass ich einfach beschützt aufgewachsen bin und wir auf einem idyllischen Dorf im schönen Vogtland Haus und Hof haben.

Meinen Lesern wuensche ich eine tolle Woche und geniesst den Frühling.

xoxo J.

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